Morgens beim Zähneputzen höre ich im Radio Nachrichten zur aktuellen Weltlage. Dann gehen wir in die Innenstadt, Dinge für den anstehenden Winterurlaub besorgen. In Hamburgs Innenstadt gibt’s überall bis zu 20 Prozent Off, weshalb es nur so wimmelt, aber die Leute sind alle auffallend respektvoll, halten Abstand und stürzen sich viel weniger als früher auf die Wühltische. Etwas Entspanntes, ja, tatsächlich Friedliches hängt in der Luft. Bei C&A suchen wir eine Anzughose für den Faschingsdienstag in der Schule. Ich fahre hoch zur Kundentoilette im vierten Stock, wo eine Toilettenfrau sitzt und die Kunden mit einem freundlichen „Na, dann mal ran an die Buletten“ begrüßt. Kurz darauf setzt sich ein grauhaariger Mann mit Gitarre neben sie auf einen Stuhl und fängt an, Rod Steward zu spielen, die Frau singt mit total schöner, heller Stimme mit I don’t want to, talk about it … und lächelt mich dabei verschmitzt an, dass ich kurz überlege, mitzusingen.
Wieder zu Hause entscheide ich mich für einen Alsterlauf. Nachdem ich kurz ungläubig Zeitung gelesen
und danach festgestellt habe, dass ich an den Dreisatz-Aufgaben meiner Tochter scheitere (Ein Bauer braucht 8 Stunden, um 20 Kilo Heu einzufahren, wie viel braucht er, wenn er nun zwei weitere Bauern …), ziehe ich meine Laufschuhe an und erlebe den wohl schönsten Sonnenuntergang aller Zeiten. Rosarot leuchtet der Himmel über dem Wasser, die Ruderer zeichnen sich als schwarze Silhouetten ab. Ich schnappe Gespräche auf über den Donbass, Putin und Waffenlieferungen.
Auf einmal wird es um mich herum immer voller, ich sehe immer mehr Menschen und eine Frau mit einem Fahrrad mit einem großen roten Herzsticker. Ich denke, dass es um die Ukraine geht, aber dann lese ich etwas über Olaf Scholz und Impfzwang. Diese Welt wird immer rätselhafter.
Abends sehe ich mit Freunden Licorice Pizza im Kino und bin beseelt von so viel echtem Kinoglück, ob mit Maske oder ohne. Danach geraten wir beim Italiener um die Ecke in einen Junggesellenabschied und sind kurz davor, auf den Tischen mitzutanzen, so ansteckend ist die Fröhlichkeit in diesen Räumen. Was mein Fazit ist aus all dem ist? Keine Ahnung, vielleicht, dass die Welt bunt ist?
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Jutta (Montag, 28 Februar 2022 13:30)
Vielen Dank für die Beschreibung diese s wirklich erlebnisreichen Sonnabends, Die Welt ist oft unverständlich, voller Höhen und Tiefen, aber überall meldet sich das Erwachen in der unbestechlichen Natur!
Kristina (Montag, 28 Februar 2022 15:35)
Ja, da hast du total recht, toll formuliert, so sehe ich es auch!! Danke!
Dr. Tilmann Kreuzer (Donnerstag, 07 Dezember 2023 20:12)
toll gesehen und formuliert